Wertesystem Verstand

Ich erlebe, wie oft ich an einem Tag Situationen, Menschen und Verhaltensweisen über meinen Verstand werte. Unbewusster geschieht dies auch in mir selbst, indem ich mich über meine Verhaltensweisen und meinem Umgang mit Situationen bewerte. Dabei stelle ich fest, dass ich meine daraus entstehenden Gefühle wie Freude, Dankbarkeit, Wut oder Traurigkeit ebenfalls werte. So teilt mein Verstand diese in positive und negative Gefühle ein und die negativen möchte man dann auch möglichst schnell wieder loswerden und loslassen. 

 

Ich habe mich gefragt, weshalb dies wohl so ist, dass alles und alle bewertet werden müssen. Insofern ist dies eine spannende Frage, wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mensch in einer Situation immer seine beste für ihn in diesem Moment mögliche Verhaltensweise an den Tag legt. Meine Forschung bringt mich zurück in meine frühe Kindheit und zeigt mir, dass wir ohne eine entsprechende Vorprägung als Kleinkind agieren und auch noch keine entsprechende Gefühlswertung vornehmen. Wir sind dann einfach traurig oder glücklich ohne diese Gefühle in gut oder schlecht bewerten zu müssen. Diese Wertung entsteht erst durch das nahe Umfeld des Kindes, indem diese Personen einem zeigen, dass nicht alle Gefühle von ihnen geschätzt werden (z.B. «du musst jetzt nicht weinen» oder «das ist doch nicht so schlimm»). Es wird einem durch die Erziehungspersonen vermittelt, «du bist so nicht ok» und im weiteren Sinne, dass die Liebe abhängig von einer gewünschten Verhaltensweise ist. Geht es im tieferen Verständnis nicht darum, dass die Erwachsenen sich hinterfragen dürfen, wieso sie ein solches Gefühl im Umfeld nicht aushalten können und bei sich genauer hinschauen dürfen? So baut sich im Laufe des Lebens im Verstand dieses Bewertungssystem auf. Dabei wäre es doch viel einfacher und leichter für uns alle, wenn wir alle Gefühle einfach wahrnehmen und annehmen können und nicht laufend versuchen, unsere Umwelt oder unser Verhalten so zu verändern, dass möglichst keine solchen Gefühle entstehen. Die Gefühle entstehen und gehören zu uns und sind einfach eine Realität – was hilft mir da eine Bewertung?